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Mittelhochdeutsch lernen

Über die mittelhochdeutsche Sprache habe ich bereits einiges geschrieben. In diesem Artikel möchte ich dir ein paar Tipps geben, wie du selbst Mittelhochdeutsch lernen kannst, z.B. weil du es im Studium musst oder dich einfach dafür interessierst.

Wer ernsthaft Mittelhochdeutsch lernen will, kommt um den „Lexer“ nicht herum, das mittelhochdeutsche Taschenwörterbuch * von Matthias Lexer. Obwohl die letzte (38.) Auflage bereits von 1999 stammt, ist es noch immer das Standardwerk für Übersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen.

Eine Übersicht über die Aussprache des Mittelhochdeutschen ist hier zu finden. Grundlegende Infos zur Aussprache stehen auch in meinem oben erwähnten Artikel. Hörproben mittelhochdeutscher Texte und ein umfangreiches Lernmodul zur mittelhochdeutschen Grammatik gibt es auf der Website der Uni Tübingen.

Mit Spaß und ohne Anstrengung Mittelhochdeutsch lernen

Um nachhaltig Mittelhochdeutsch zu lernen, ohne dich zu langweilen oder dich allzu sehr anzustrengen, empfehle ich dir, einen längeren mittelhochdeutschen Text zu lesen, z.B. einen Roman. Wenn du das geschafft hast, kannst du wirklich Mittelhochdeutsch. 🙂

Siegfrieds Ermordung. Nibelungenlied, Handschrift k (1480-1490)Siegfrieds Ermordung. Nibelungenlied, Handschrift k (1480-1490).
Siegfrieds Ermordung. Nibelungenlied, Handschrift k (1480-1490).

Für Anfänger eignet sich das Nibelungenlied sehr gut, z.B. in der Übertragung von Helmut Brackert * oder die Reclam-Ausgabe *. (Kein Roman, sondern ein Heldenepos. Romane im engeren Sinne sind z.B. Iwein von Hartmann von Aue oder Parzival von Wolfram von Eschenbach.)

Die Nibelungenlied-Ausgabe von Brackert ist recht günstig, vor allem wenn man sie gebraucht kauft. Allerdings beruht sie auf dem traditionellen, von Karl Bartsch hergestellten und von Helmut de Boor bearbeiteten mittelhochdeutschen Text, der verschiedene Handschriften mischt und mittlerweile als problematisch betrachtet wird. Die neuere Reclam-Ausgabe mit einer von Ursula Schulze hergestellten mhd. Textfassung folgt hingegen konsequent der St. Galler Handschrift B.

Ich empfehle dir, die rechte Seite, auf der die Übertragung ins Neuhochdeutsche steht, mit einem Blatt Papier oder einer etwas größeren Postkarte abzudecken. Dann kommst du nicht in Versuchung, ständig in den neuhochdeutschen Text zu schauen. Das Nibelungenlied ist auf jeden Fall ein spannendes Heldenepos und auch für Leute zu empfehlen, die nicht unbedingt Mittelhochdeutsch lernen möchten.

False Friends

Da sich im Laufe der Zeit die Bedeutung vieler Wörter geändert hat, gibt es im Mittelhochdeutschen einige „False Friends“, bei denen es häufig zu Übersetzungsfehlern kommt. Wer Mittelhochdeutsch lernen will, sollte sich vor allem diese Wörter einprägen.

Ein Beispiel ist mhd. mügen, mugen, ih mac usw. Dies ist als „können“, „vermögen“, „imstande sein“ o.ä. zu übersetzen. Mit nhd. „mögen“ im Sinne von „gernhaben“ hat das nichts zu tun.

Eine Liste mit mhd. False Friends ist hier zu finden. Auch in dieser Wortschatzliste kommen einige False Friends vor, ohne jedoch ausdrücklich benannt zu werden.

Zum Schluss noch ein kleiner Tipp: Mhd. lîp ist mit nhd. Leib verwandt und kann tatsächlich manchmal als „Leib, Körper“ übersetzt werden. Häufiger tritt das Wort aber in der Bedeutung „Leben“ auf. Oft steht lîp auch direkt für eine Person. Mhd. mîn lîp heißt also „ich“ und nicht „mein Leib“.

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4 Gedanken zu „Mittelhochdeutsch lernen

  1. ᛚᛁᚠᚦᚱᚨᛋᛁᚱ

    Ist es denn realistisch, sich mit dieser Methode des Mittelhochdeutschen auf so eine Art und Weise zu ermächtigen, dass man selbst dazu in der Lage ist, zunächst vielleicht eigene Texte schreiben zu können und später durchgehend Mittelhochdeutsch zu sprechen, quasi die Sprache wieder lebendig werden zu lassen? Einfach aus Interesse... denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass, wenn von "Mittelhochdeutsch lernen" die Rede ist, eigentlich immer nur "Mittelhochdeutsch verstehen lernen" gemeint ist... was ich persönlich wirklich schade finde. Ich verstehe natürlich, dass das insgesamt bestimmt kein leichtes Unterfangen ist, gerade dann, wenn man nicht zum Beispiel Germanistikstudent ist, und dennoch...

    1. Björn

      Das ist eine interessante Frage. Ich denke, es ist durchaus möglich, mit etwas Fleiß Mittelhochdeutsch sprechen zu lernen. Allerdings sollte man sich bewusst machen, dass dies immer nur eine Annäherung an das reale Mittelhochdeutsch sein kann. Das "Mittelhochdeutsch", das wir heute kennen, ist eine rekonstruierte Version der damaligen Sprache. Wir wissen nicht, wie die mhd. Sprache wirklich klang, und werden es auch nie wissen, da wir die Menschen aus der damaligen Zeit nicht fragen können. 😉

      Zudem kennen wir nicht die Alltagssprache, z. B. bezüglich der Wortwahl. Wir wissen nicht, wie die Bauern auf dem Land oder die einfachen Leute in den Städten miteinander gesprochen haben, da dies nicht überliefert ist. Überliefert wurden vor allem Urkunden aus dem juristischen Bereich und Literatur, die sich in erster Linie mit dem Leben bei Hofe beschäftigt, wobei dieses idealisiert und nicht unbedingt realistisch dargestellt wurde. Hinzu kommen die regionalen Dialekte, diese waren damals noch ausgeprägter als heute.

      Wenn du dir all dies bewusst machst und das Ganze nicht so ernst nimmst, kannst du sicher das rekonstruierte Mittelhochdeutsch, das wir heute kennen, sprechen lernen. Ob dich ein Bauer aus dem Mittelalter verstehen würde, ist damit aber noch nicht klar. 😉

  2. Brigitta

    Ist nicht das Jiddische dem Mittelhochdeutschen nahe? Das ist nicht so lange her und es gibt vielleicht noch Sprecher?

    1. Björn

      Hallo Brigitta,

      du hast recht, das Jiddische ist dem Mittelhochdeutschen ähnlich. Ich bin allerdings kein Experte für Jiddisch, über die konkreten Gemeinsamkeiten und Unterschiede kann ich deshalb nichts sagen.

      Viele Grüße
      Björn

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