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Slawen im deutschen Sprachraum

Das Siedlungsgebiet der Slawen reichte im Mittelalter von der Adria bis zur Ostsee. Dies ist unter anderem durch archäologische Quellen belegt. Seit der zweiten Hälfte des 7. Jh. sind in der Region zwischen Elbe und Oder slawische Burgen nachweisbar. Die slawische Besiedlung lässt sich aber vor allem an den slawischen Ortsnamen erkennen, die im deutschen Sprachraum weit verbreitet sind. Die meisten Ortsnamen wurden im Laufe der Jahrhunderte eingedeutscht, aber ihr slawischer Ursprung ist häufig noch gut zu erkennen. Typische Endungen slawischer Ortsnamen sind z.B. -itz, -in und -ow. Besonders die östlichen deutschen Bundesländern sind durch slawische Ortsnamen geprägt, dort sind 60 % der Ortsnamen slawischer Herkunft. Auch im Hannoverschen Wendland, im Nordosten Bayerns (vor allem Oberfranken und Oberpfalz) und in Österreich treten slawische Ortsnamen auf.

Infolge der Besiedlung durch die Deutschen gingen die Slawen in der deutschen Mehrheitsbevölkerung auf. Am längsten erhielt sich eine slawische Minderheit im Hannoverschen Wendland. Sie bewahrte ihre Sprache, das Polabische, bis ins 18. Jahrhundert. Eine Ausnahme bilden die Sorben. In der Ober- und Niederlausitz in Sachsen und Brandenburg leben heute noch rund 60.000 Sorben, die offiziell als nationale Minderheit anerkannt sind. Etwa ein Drittel von ihnen sprechen Sorbisch. Die Sorben in der Niederlausitz bezeichnen sich auch als Wenden (früher war dies eine Sammelbezeichnung für alle slawischen Stämme im deutschen Sprachraum). Das Brandenburger Sorben-Wenden-Gesetz von 1994 sieht vor, dass Ortsschilder in dieser Region zweisprachig gestaltet werden müssen.

Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter

Die Besiedlung der Gebiete zwischen Elbe und Oder durch westslawische Stämme begann im frühen Mittelalter. Als Folge der Wanderungsbewegungen der Völkerwanderungszeit (ca. 375/376 bis 568) waren dort lebende germanische Völker größtenteils abgewandert und hinterließen weitgehend menschenleere Gebiete, die von den Slawen besiedelt wurden. Im heutigen Mecklenburg-Vorpommern lebten zwei größere Stammesverbände, die Obodriten im Westen bei Schwerin und die Liutizen östlich davon. Im Westen an der Elbe siedelten die Polaben, auf der Insel Rügen die Ranen und die Region an der Odermündung wurde von einigen kleineren Stämmen bewohnt.

Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden, Zugangstor mit Hauptbrücke.
Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden, Zugangstor mit Hauptbrücke.

Während des Mittelalters bemühten sich deutsche Missionare um eine Bekehrung der Wenden zum Christentum. Sie gründeten Bistümer, so 902 das Bistum Halberstadt, 948 das Bistum Brandenburg und 968 das Erzbistum Magdeburg. Die Missionierung lief aber nicht ohne Widerstand ab. Im Jahr 983 kam es zu einem großen Slawenaufstand, der den Aufbau einer Kirchenorganisation östlich der Elbe zunächst unterbrach. Im 12. und 13. Jahrhundert eroberten deutsche Herrscher Gebiete östlich der Elbe. Bauern aus dem Frankenreich, aus Flandern und Holland wurden dort angesiedelt und machten das Land für die Landwirtschaft nutzbar. Die Slawen hatten zuvor nur etwa 5-10 Prozent der Fläche genutzt, der größte Teil des Landes war von Wald bedeckt. Daher standen den Siedlern große Flächen zur Verfügung. Die Siedler rodeten Land, das sie dann zur Erbpacht erhielten. Dörfer, die durch Rodungen deutscher Siedler entstanden, sind zum Teil an Endungen wie -hagen und -horst erkennbar. Mit der Besiedlung kam es auch zum Aufbau einer kirchlichen und herrschaftlichen Infrastruktur. Die Neusiedler mussten, wie allgemein üblich, den Kirchenzehnt zahlen. Dieser wurde jeweils einem bestimmten Bistum zugeordnet.

Zunächst besiedelten die Deutschen Holstein sowie das Spree- und Havelland. Im 13. Jahrhundert erschlossen sie Mecklenburg und Pommern. Danach expandierten sie weiter in östlicher Richtung und besiedelten Gebiete jenseits der Oder und der Weichsel.

Eine wesentliche Ursache für die deutsche Ostsiedlung ist ein starkes Bevölkerungswachstum im 11. und 12. Jahrhundert. Möglich wurde dies durch ein wärmeres Klima (die sogenannte mittelalterliche Warmzeit). Hinzu kamen technische Innovationen wie die Dreifelderwirtschaft, der verstärkte Anbau von Getreide sowie der Bau von Mühlen. Diese Veränderungen führten zu höheren Erträgen und in der Folge zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl. Die Erschließung neuer Gebiete für die anwachsende Bevölkerung erschien somit notwendig.

Beziehungen zwischen Slawen und Deutschen

Die Beziehungen zwischen Slawen und Deutschen in dem neu erschlossenen Gebiet waren komplex. Es gab einerseits kriegerische Eroberungen und slawischen Widerstand, andererseits arbeiteten Slawen und Deutsche zusammen. Auch Slawen bemühten sich um die Rodung neuer Gebiete und die Gründung von Dörfern. In mittelalterlichen Quellen wird von einem Grundherrn slawischer Abstammung aus dem Leipziger Raum berichtet, der ins Frankenreich gereist sei, um Siedler anzuwerben.

An einem slawischen Ortsnamen lässt sich übrigens nicht unbedingt der slawische Ursprung eines Ortes erkennen. Auch neue, von Deutschen bewohnte Dörfer erhielten manchmal slawische Namen. Andererseits bekamen einige Dörfer, an deren Gründung sich Slawen beteiligten, deutsche Namen. Darüber hinaus bedeutet eine slawische Gründung nicht in jedem Fall, dass dieser Ort älter ist als umliegende deutsche Orte.

Auch archäologische Quellen sind in Bezug auf die Frage, ob ein Ort von Deutschen oder von Slawen gegründet wurde, nicht immer aussagekräftig. Ab dem Hochmittelalter gab es keine Unterschiede mehr zwischen der materiellen Kultur der Slawen und der Deutschen. Daher lässt sich die ethnische Zugehörigkeit der Bewohner eines Ortes im slawisch-deutschen Siedlungsgebiet seit dieser Zeit nicht mehr archäologisch nachweisen.

Verwendete Literatur:

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2 Gedanken zu „Slawen im deutschen Sprachraum

  1. Ralf Grabuschnig | Déjà-vu Geschichte

    Ein Thema, das ja auch weit über den heutigen deutsch-polnischen Grenzraum hinausgeht. In weiten Teilen Österreichs waren im frühen Mittelalter noch Slawen die dominierende Gruppe. Das Fürstentum Karantanien, Vorgänger des heutigen Kärnten, war eines der frühesten slawischen Staatsgebilde überhaupt. Die deutsche Bevölkerung kam erst mit der bairischen Expansion in die Gegend.

    1. Björn

      Danke für deinen Kommentar und den Hinweis auf Karantanien. Du hast recht, das Siedlungsgebiet der Slawen war im (vor allem frühen) Mittelalter enorm groß.

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