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Der Name Würzburg

Nach anerkannter Forschungsmeinung bedeutet der Name Würzburg im Germanischen "Stadt der (Bier-)Würze". Möglicherweise stecken darin keltische Wurzeln.

Bevor ich dieser These nachgehe, möchte ich darstellen, was über den Namen Würzburg allgemein bekannt ist. Weiter unten werde ich mich mit den (meiner Ansicht nach recht plausiblen) Überlegungen von Erika Timm auseinandersetzen, die den Namen Würzburg auf einen keltischen Ursprung zurückführt. Dabei sind die archäologischen Quellen durchaus mit ihrer These vereinbar, auch wenn dies noch keinen Beweis darstellt.

Die erste urkundliche Erwähnung des Namens Würzburg

Der Name Würzburg ist seit dem frühen Mittelalter belegt. Am 1. Mai 704 stellte Herzog Hetan II. anlässlich einer Schenkung von thüringischen Gütern an den heiligen Willibrord eine Urkunde „in castello Virteburh“ aus. Mit dem castellum ist die Befestigungsanlage gemeint, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem links des Mains gelegenen Berg (heute Marienberg) befand und sich wohl auch über einen Bereich nahe der heutigen Burkarder Kirche im Tal darunter erstreckte. Es handelte sich bei dieser Befestigungsanlage vermutlich um den Stammsitz des fränkischen Herzogs Hetan II. Würzburg hatte sich also bis zum Jahr 700 bereits zu einem Ort von erheblicher Bedeutung entwickelt und war offensichtlich nicht gerade erst gegründet worden.

Die Festung Marienberg in Würzburg
Die Festung Marienberg in Würzburg

Die Vorgeschichte

Die älteste größere Siedlung auf dem Marienberg stammt archäologischen Funden zufolge aus der Urnenfelderzeit um 1100 v. Chr., und auch aus der Zeit der Kelten sind dort Befestigungsanlagen nachgewiesen. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung nahmen germanische Siedler das Land in Besitz. Vermutlich gab es eine Siedlungskontinuität von den Kelten zu den Germanen. Dafür spricht, dass der aus dem Keltischen stammende Name Main (ursprünglich Moin) erhalten blieb.

Um das Jahr 531 siegten die Franken über das Thüringerreich, zu dem Mainfranken gehörte. Infolgedessen integrierten sie die Region ins Frankenreich. In Würzburg setzten die Merowinger den bereits erwähnten Herzog ein.

Frühe Formen des Namens Würzburg

Der Geograf von Ravenna erwähnt um 800 (anderen Forschungsmeinungen zufolge schon Ende des 7. Jahrhunderts) den Namen Würzburg und bezieht sich dabei auf Quellen, die aus der Zeit um 500 stammten. Die Schreibung des Geografen von Ravenna Wurziburg mit u (von einigen Forschern als Uburzis gelesen) ist nicht die originale Schreibweise, da sie erst aus späteren Abschriften des 12.-15. Jahrhunderts erhalten ist.

Virteburh (gesprochen: Wirteburch) aus der Urkunde von 704 ist die älteste überlieferte Namensform. Dabei wird die Schreibung mit i deutlich, die eine Verwandtschaft mit dem Wort wurz- bzw. würz- ausschließt (siehe unten). Ab Ende des 8. Jahrhunderts erscheint das t entsprechend der hochdeutschen Lautverschiebung zu z verschoben, so in den beiden Würzburger Markbeschreibungen von 779 (Vvirziburg, Uuirziburganensium). Ab dem 11. Jahrhundert erfolgte die Rundung des i zum ü, die typisch für das Hoch- und Spätmittelalter ist. Seit dem Mittelalter wird der Name Würzburg in seiner bis heute erhaltenen Form gesprochen und geschrieben.

Ursprung und Bedeutung des Namens Würzburg

Da der Name Würzburg scheinbar aus dem Germanischen stammt, liegt es nahe anzunehmen, dass sich die Namensbestandteile aufgrund ihrer Bedeutung im Germanischen erklären lassen. Burg ist leicht zu erklären, es bedeutet „Stadt, Burg“. Wirz ist jedoch schwieriger zu deuten. Häufig wurde es als „Würze, Würzkraut“ interpretiert. Entsprechend wurde der Name bereits frühzeitig als Herbipolis ins Lateinische übersetzt, zum Beispiel in einem Brieffragment der Kaiserin Adelheit (gest. 999). Dieser Annahme entsprechend wurde zuerst der Berg benannt, da dort Würzkräuter wuchsen. Später ging der Name von dem Berg auf die Stadt über. Einige Autoren meinen, die Art der dort wachsenden Würzkräuter genauer bestimmen zu können: Es handle sich um Bierwürze, im Besonderen sei wilder Hopfen gemeint.

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht kann die „Bierwürze“-These durchaus zutreffen, nicht aber die These, es handle sich allgemein um Würzkräuter, denn im neuhochdeutschen Wort Würze fallen zwei ursprünglich verschiedene Wörter zusammen: In der Bedeutung „Gewürz“ geht nhd. Würze auf das mittelhochdeutsche Wort würz(e) zurück, das vom mittelhochdeutschen wurz in der Bedeutung „Küchenkraut“ abgeleitet wurde. Letzerem liegt vermutlich germanisch *wurti- „Wurzel, Kraut“ zugrunde. Von diesem Wort kann Würzburg nicht abstammen, da der Beleg Virteburh auf ein i hinweist (oder e, da beide Laute nicht immer klar unterschieden wurden). Dieses taucht in wurz nicht auf. „Bierwürze“ jedoch wurde in mhd. Zeit als wirz bezeichnet, was später an Würze angeglichen wurde. Eine frühere Stufe dieses Wortes ist germanisch *wertez- oder *wirtez- „Bierwürze, Metwürze“. Hier finden wir also das i aus Virteburh wieder, wodurch klar wird, dass eine Deutung des Erstglieds von Würzburg als „Bierwürze“ sprachwissenschaftlich korrekt ist.

Schwarzes Bilsenkraut, Bestandteil von Grutbier. © D. H. Zell - CC BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)
Schwarzes Bilsenkraut, Bestandteil von Grutbier. © D. H. Zell - CC BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

Dabei muss, wenn von Bierwürze die Rede ist, nicht unbedingt Hopfen gemeint sein. Dieser setzte sich erst allmählich während des Frühmittelalters gegenüber der „Grut“ durch, einem Gemisch aus getrockneten und gemahlenen Kräutern. Als Bestandteile der Grut konnten mehr als 100 verschiedene Kräuter oder Früchte identifiziert werden. Dazu gehörten auch giftige bzw. betäubend wirkende Kräuter wie Sumpfporst und Bilsenkraut. Einige dieser zum Würzen und Haltbarmachen von Bier verwendeten Pflanzen wuchsen, wenn die These zutrifft, in germanischer Zeit auch auf dem Marienberg.

Hat der Name Würzburg einen keltischen Ursprung?

Die Germanistin Erika Timm vertritt die These, dass Würzkräuter als Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Bergen nicht bedeutend genug sind, um namensgebend zu sein, da sie überall wachsen können. Daher vermutet sie, es handle sich bei dem „Berg der Würze“ um bloße Volksetymologie: Die Menschen verstanden den keltischen Namen des Berges nicht mehr und gaben ihm in ihrer Sprache eine neue Deutung.

Timm geht von kelt. ver(o)-dūnum aus, das mit „starke Burg“ oder auch „wahre Festung“ umschrieben werden kann und in 15 französischen Orten mit dem Namen Verdun/Verdon und möglicherweise auch in Württemberg fortlebt. Falls die These auf Württemberg zutrifft, geht -tt- auf das keltische d zurück, das noch in Verdun erhalten ist und durch die zweite Lautverschiebung zu t verschoben wurde. Würzburg hätte demnach zwei Lautverschiebungen mitgemacht: Zuerst wurde das d, das sich heute noch im französischen Verdun findet, zu t verschoben (Virteburh, 704) und anschließend zu z (Vvirziburg, 779).

Allerdings hat diese These zur Voraussetzung, dass die ersten Germanen bereits zu einer Zeit ins Land kamen, als die erste Lautverschiebung noch aktiv war. Dies ist notwendig, da das Wort beide Lautverschiebungen im Germanischen mitgemacht haben muss, falls es tatsächlich vom keltischen ver(o)-dunum abstammt. Es wird angenommen, dass die erste Lautverschiebung zwischen dem 4. und 1. Jahrhundert v. Chr. stattfand. Aus Würzburg haben wir aber archäologische Belege für die Anwesenheit von Germanen erst nach der Zeitenwende. Um 200 v. Chr., während der ersten Lautverschiebung, bildete der Main noch die Nordgrenze einer geschlossenen keltischen Besiedlung.

Andererseits gab es vermutlich über die Grenze hinweg Kontakte zwischen keltischer und germanischer Bevölkerung, zum Beispiel durch reisende Händler.¹ Dass allgemein eine Kontinuität von der keltischen zur germanischen Besiedlung bestand (auch wenn dies für Würzburg nicht nachweisbar ist) und eine Überlieferung keltischer Ortsnamen grundsätzlich möglich war, beweist zumindest der aus dem Keltischen überlieferte Name für den Main.

Gab es im Raum Würzburg eine Siedlungskontinuität von den Kelten zu den Germanen?

Falls sich in Mainfranken eine Siedlungskontinuität oder zumindest Kontakte zwischen Kelten und Germanen nachweisen lassen, könnte dies für die ver(o)-dunum-These sprechen. Bislang gibt es allerdings nur wenige Fundstellen, die eine Siedlungskontinuität von den Kelten zu den Germanen in Mainfranken eindeutig belegen. Bei einer Grabung wurden im Jahr 2012 bei Höllrich, einem Ortsteil von Karsbach bei Gemünden, entsprechende Funde entdeckt. Dort fanden Archäologen unter anderem Bruchstücke eines keltischen Glasarmrings zusammen mit Keramikscherben, die zur germanischen Großromstedter Kultur gehören.

Der Ort Höllrich liegt rund 30 Kilometer Luftlinie von Würzburg entfernt an einem Bach und war möglicherweise über den Main und die Wern per Boot erreichbar. Über diese Entfernung könnten ohne Weiteres Kontakte zwischen keltischer und germanischer Bevölkerung bestanden haben. Es ist außerdem sehr wahrscheinlich, dass die Menschen, die in den bei Höllrich ausgegrabenen Häusern lebten, die 30 Kilometer südlich davon am Main liegende, nicht unbedeutende Siedlung kannten und einen Namen dafür hatten.

Dies ist natürlich kein Beweis für die Richtigkeit von Erika Timms ver(o)-dunum-These. Doch es könnte ein Hinweis darauf sein, dass eine Namenskontinutität von einem keltischen zu dem germanischen Namen Würzburgs bestehen könnte. Dabei wäre es natürlich auch möglich, dass Germanen und Kelten einen jeweils anderen Namen für denselben Ort benutzten. Es gibt allgemein zahlreiche Beispiele für die unterschiedliche Benennung desselben Ortes durch verschiedene Bevölkerungsgruppen. So waren im Norden während der Wikingerzeit verschiedene Bezeichnungen für die Wikingersiedlung Haithabu bekannt. Ein Beispiel aus der heutigen Zeit sind die zweisprachigen Ortsschilder in der sorbischen Region.

Mir persönlich erscheint die Benennung eines Ortes nach Kräutern wenig plausibel. Ich glaube, dass im Namen Würzburg zumindest irgendeine Kontinuität zu einem keltischen Ortsnamen weiterbesteht. Die Herkunft des Namens Würzburg aus dem keltischen ver(o)-dunum ist eine Möglichkeit, auch wenn sich diese These nicht beweisen lässt.

¹ Danke an Stefan Sassenberg für diesen Hinweis.

Literaturhinweise:

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