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Kleidung und Mode im Mittelalter

Die Mode des Mittelalters ist durch drei aufeinanderfolgende Phasen gekennzeichnet: Verhüllung, Sichtbarmachung und Modellierung. Dies gilt sowohl für die Herren- als auch für die Damenmode.

Wie kam es im Mittelalter zur Entwicklung der Mode?

Neuerungen in der Mode entstanden im Mittelalter meist an der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie. Die Angehörigen der höfischen Oberschicht wollten und mussten sich durch prächtige Gewänder hervorheben. Da es im Mittelalter keine Institutionen gab, die die Herrschaft eines Königs oder Fürsten sicherten, musste er durch seine Kleidung wirken. Nur dann wurde er auch von jedermann als solcher (an)erkannt.

Die Mode des Adels war im Mittelalter auch für andere Gruppen attraktiv, die nach einem gesellschaftlichen Aufstieg strebten. Sie ahmten die Kleidung der Elite nach und übernahmen deren Statussymbole. Als Reaktion erfand die Elite neue Mittel, um sich von den gewöhnlichen Menschen abzuheben, und der Kreislauf begann von Neuem.

Die drei Phasen der Mode im Mittelalter

Die Mode des Mittelalters lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Dies gilt sowohl für die Damenmode als auch für die Mode der Herren. Jan Keupp fasst den Ablauf dieser drei Phasen in seinem Buch „Mode im Mittelalter“ folgendermaßen zusammen: „Verhüllung, Sichtbarmachung und Modellierung.“

Das Frühmittelalter

Im frühen Mittelalter wurde der weibliche Körper durch lange, gerade geschnittene Gewänder verhüllt. Nicht so sehr der Schnitt des Kleides war von Bedeutung, sondern die prächtigen Stoffe und Applikationen sowie der Schmuck, den die Damen trugen.

Auch die Kleidung der Herren war im Frühmittelalter einfach geschnitten. Kleidungsstücke bestanden in der Regel aus Stoffbahnen, die umgeschlagen und aneinandergenäht wurden. Eine meist langärmlige Tunika, die ungefähr bis zum Knie reichte, wurde durch Strümpfe oder Wadenbinden ergänzt. Lange Herrengewänder kamen auch vor, waren damals aber selten. Über der Tunika* trugen die Männer einen Mantel, der auf der rechten Schulter mit einer Fibel geschlossen wurde.

Otto II., ein frühmittelalterlicher deutscher Kaiser
Otto II., frühmittelalterlicher deutscher Kaiser. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Im Kampf war über der Kleidung ein etwa knielanges Kettenhemd üblich, das bis zu den Ellenbogen oder Unterarmen reichte. Auf dem Kopf trugen die milites (die Vorgänger der Ritter; Einzahl miles) einen Spangenhelm. Daneben sind aus dem frühen Mittelalter Kettenkapuzen belegt.

Das Hochmittelalter

Ab dem 11. Jahrhundert entstand ein neuer Trend in der Mode, der die natürlichen Formen des weiblichen Oberkörpers betonte. Dies erreichte man durch eine spezielle Schnittführung und eine seitlich angebrachte Schnürung des Unterkleids. Von der Taille abwärts ging das Kleid in einen langen Rock über, der einen effektvollen Faltenwurf und eine lange Schleppe besaß. Darüber trug die Dame ein weites Überkleid und einen Mantel. Diese drei Schichten der Kleidung ermöglichten ein reizvolles Spiel der Verhüllung und Zurschaustellung.

Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit spielten in der Damenmode des Mittelalters kaum eine Rolle. Zur Mode gehörten überlange, am Boden schleifende Röcke und Mäntel, die beständig festgehalten werden mussten, um nicht von den Schultern zu rutschen. Das Gebende, eine Kopfbedeckung verheirateter Damen, war fest um das Kinn gebunden und verhinderte lautes Rufen oder Lachen – was für eine junge Dame ohnehin als unschicklich galt.

Während des Hochmittelalters nahm die Kleidung der Herren an Länge zu und glich sich bis zu einem gewissen Grade der Kleidung der Frauen an. Damit die langen Gewänder nicht beim Reiten störten, wurde vorn und hinten ein Schlitz eingefügt. Die Beinkleider lagen eng an und sollten ein Bild jugendlicher Schönheit vermitteln. Seit dem 13. Jahrhundert trugen die Männer statt der Hosen eine Unterhose (bruoch) und Beinlinge. Letztere wurden auch von den Frauen getragen.

Im militärischen Bereich entsprach es der Mode, über dem Kettenhemd einen Waffenrock zu tragen, auf dem ein Wappen abgebildet war. Statt eines einfachen Spangenhelms trugen viele Ritter im Hochmittelalter einen Topfhelm, der das Gesicht besser schützte.

Das Spätmittelalter

Während des 14. und 15. Jahrhunderts wurde der weibliche Körper zunehmend künstlich auf ein Idealbild hin geformt, und zwar mithilfe von effektvoll angebrachten Nähten, Korsagen und Polstern unter der Kleidung. Der Halsausschnitt wurde stark erweitert, sodass ein Dekolleté entstand. Die Brüste wurden mit Bandagen gestützt und die Taille rückte nach oben. Der Rock nahm im Vergleich zum Hochmittelalter noch einmal an Fülle und Länge zu.

Bei den Männern wurde während des 14. Jahrhunderts ein kurzes und knappes Obergewand üblich, die sogenannte Schecke. Diese war eng tailliert und reichte höchstens bis auf den Oberschenkel. Der Auslöser für diese radikale Änderung der Mode ist vermutlich, dass im 14. Jahrhundert das lange Kettenhemd durch eine starre Rumpfpanzerung abgelöst wurde, die nur einen knappen Hüftschutz aus Ringgeflecht besaß.

Oswald von Wolkenstein in spätmittelalterlicher Kleidung
Oswald von Wolkenstein in spätmittelalterlicher Kleidung. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Analog zur weiblichen Mode wurde auch der männliche Körper zum Teil künstlich geformt. Die Brustpartie wurde betont und zum Teil ausgepolstert. Andererseits waren die Beinlinge nun kaum noch vom Obergewand verhüllt, was eine schlanke, aufwärtsstrebende Silhouette betonte. Einen Kontrast dazu bildeten die vorn spitz zulaufenden Schnabelschuhe.

Typische Unterschiede der Mode für Damen und Herren

Die Herrenmode ist variantenreicher und stärker als die Mode der Damen durch zahlreiche individuelle Besonderheiten gekennzeichnet. So sind auf den Abbildungen der Manessischen Liederhandschrift Gewänder mit verschiedenen Formen des Halsausschnitts zu sehen, wie V-Ausschnitt, runder Ausschnitt und Stehkragen. Einige Herrengewänder mit Scheinärmeln, die an den Schultern nur teilweise angenäht waren, sind dort ebenfalls zu finden. Auch die Hutformen der Herren sind abwechslungsreich und zum Teil extravagant, zum Beispiel mit Pfauenfedern geschmückt.

Bei den Damen änderte sich während des Mittelalters vor allem die Ärmelmode relativ schnell. Die Ärmel wurden mal eng anliegend und dann wieder trompetenförmig erweitert getragen. Daneben gab es ärmellose Überkleider, unter denen die Ärmel des eng anliegenden Unterkleides sichtbar wurden. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts gab es diese auch in einer Variante mit besonders weiten Ärmelauschnitten. Diese wurden Höllenfenster genannt, da sie einen Blick auf das eng anliegende Unterkleid erlaubten, was als sündig empfunden wurde.

Hochzeit Marias von Brabant mit Philipp III. von Frankreich. Das Überkleid der Maria hat sogenannte Höllenfenster.
Hochzeit Marias von Brabant mit Philipp III. von Frankreich. Das Überkleid der Maria hat sogenannte Höllenfenster. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Elemente aus der Kleidung des Mittelalters in der heutigen Mode

Das weite, nicht am Körper anliegende Frauenkleid* mit breiten Ärmeln, das noch heute eine Grundform der Damenmode darstellt, gab es bereits im frühen Mittelalter. Damals trugen auch die hochgestellten Damen solche Kleider, die sich nicht im Schnitt, sondern nur in den Stoffen, Applikationen und Accessoires von den Kleidern der einfachen Frauen unterschieden. Als Kleid der Bäuerinnen auf dem Lande hat es die Jahrhunderte fast unverändert überdauert.

Das Jackett aus unserer Herrenmode geht auf das kurze spätmittelalterliche Obergewand der Herren, die „Schecke“ (frz. jacque), zurück. Den körperengen Sitz und den gesäßlangen Schnitt hat sie durch die Jahrhunderte bewahrt. Der Kragen, der heute nur noch ein Schmuckelement ist, diente im Mittelalter als Wetterschutz. Der zentral auf dem Rücken angebrachte Schlitz hat seine Ursprünge in der Kleidung der Ritter, denen er das Reiten erleichtern sollte.

Heute haben diese Bestandteile ihre Funktion verloren und sind nur noch schmückende Elemente, gehören aber aus Gründen der Konvention unbedingt zu einem Jackett. Wenn dieses weder Kragen noch Kleiderschlitz enthielte und rein funktional auf seine Grundform reduziert wäre, würde es den ästhetischen Anforderungen nicht genügen. Denn heute wie im Mittelalter ist es wichtig, die Konventionen der Mode einzuhalten, um von unserem Gegenüber richtig gelesen zu werden. Dass diese Konventionen auch gezielt gebrochen werden können, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, ist wieder ein anderes Thema.

Literaturhinweise:

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