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Der Minnesang im Mittelalter

Minnesang ist eine Form der Liebeslyrik, die im hohen Mittelalter gepflegt und von Sängern mündlich vorgetragen wurde. Es handelt sich um eine literarische Ausdrucksform des Adels. Die Zeit des Minnesangs dauerte ungefähr von 1150-1300.

Das Publikum der Minnesänger war adlig. Die Lieder wurden meist bei Hofe vorgetragen. Die Sänger selbst stammten aus allen sozialen Schichten. Mitglieder des Hochadels sind als Autoren bezeugt, wie Kaiser Heinrich oder der Markgraf Otto von Brandenburg. Viele Dichter von Minneliedern waren, Ministerialen, d.h. Verwaltungsbeamte bzw. Angehörige des Dienstadels, zum Beispiel Friedrich von Hausen, Heinrich von Morungen, Ulrich von Liechtenstein etc. Es gab auch bürgerliche Minnesänger, wie Konrad von Würzburg, Heinrich Teschler oder Hadloub. Von einigen Autoren ist nicht überliefert, welchem Stand sie angehörten. Im Gegensatz zur provenzalischen Trobadorlyrik sind im mhd. Minnesang keine Dichterinnen bezeugt.

Neben Berufssängern wie Reinmar, Walther von der Vogelweide und Neidhart gab es Dichter, die nur in ihrer Freizeit Minnelieder schrieben, sowie fahrende Sänger, die die Lieder anderer Dichter vortrugen.

Das klassische Thema des Minnesangs ist die sogenannte Hohe Minne, die höfische Liebe. Dabei warb das lyrische Ich vergeblich um die als idealisierte, oft verheiratete Herrin (vrouwe) und beschrieb in den Liedern seine Gefühle. Da die vrouwe unerreichbar bleibt, ist minne oft mit leit (Schmerz) verbunden. Die Hohe Minne ist jedoch nicht das einzige Thema des Minnesangs.

Zur Entstehung des mittelhochdeutschen Minnesangs

In der früheren Forschung wurde der mittelhochdeutsche (mhd.) Minnesang vor allem als Teil der gesamteuropäischen Literatur behandelt und die Gemeinsamkeiten mit Lyrik in anderen Sprachen wurden herausgestellt. Die Wissenschaftler vermuteten eine Herkunft des Minnesangs von den muslimischen Höfen in Spanien, aus der mittellateinischen erotischen Briefkultur oder Vagantenlyrik, aus Volksliedern oder dem Marienkult. Einer These zufolge übernahmen mhd. Dichter die provenzalische Trobadorlyrik.

Neuere Theorien zum Minnesang stellen vor allem die kulturellen, sozialen und ökonomischen Veränderungen im 12. Jahrhundert in den Mittelpunkt. Diese führten zu einem geistesgeschichtlichen Umbruch.

Im weltlichen Bereich differenzierten sich die gesellschaftlichen Systeme stärker aus. Eine wesentliche Ursache dafür ist der Aufstieg der Ministerialen. Die Adelsstände an den bedeutenderen Machtzentren rückten dadurch enger zusammen. Diese Entwicklung führte zu einem Aufstiegsstreben innerhalb aller gesellschaftlichen Stände. Es entstand ein neues Konzept des Ich und neue Möglichkeiten des emotionalen und ästhetischen Ausdrucks entwickelten sich.

Die Kirche erfuhr eine Krise, ausgelöst durch einen Konflikt zwischen geistlicher und weltlicher Macht, der im Investiturstreit gipfelte. Dadurch kam es zu einer Trennung des weltlichen und kirchlichen Bereiches. Eine neue Auffassung von der christlichen Liebe und ein neues Frauenbild – verbunden mit Marienverehrung – entstanden.

Die heutige Forschung betrachtet den Minnesang als literarische Ausdrucksform nicht nur der Ministerialen, sondern des gesamten Adels des 12. Jahrhunderts. Im Minnesang drückt sich die Befindlichkeit der höfischen Gesellschaft aus. Das Lehnswesen lieferte dem Adel damals mit den zentralen Werten dienest und triuwe eine Werteskala, die das Funktionieren des Sozialgefüges erleichtern sollte. Es kam zu einer Erkenntniserweiterung und Bewusstseinsvertiefung. Zwischenmenschliche Beziehungen, besonders die Liebe der Geschlechter zueinander, erhielten einen neuen Stellenwert. Die Sänger reflektierten ihre neue Ich-Erfahrung sowie ihre ständische und existenzielle Situation und übertrugen sie auf die Werbung um eine scheinbar unerreichbare, sozial über ihnen stehende Frau.

Die Phasen des Minnesangs im Mittelalter

Die ersten deutschen Minnesänger lebten im Donauraum zwischen Ulm und Linz/Melk. Entsprechend wird die frühste Phase als donauländischer Minnesang bezeichnet. Sie dauerte ungefähr von 1150 bis 1180. Vertreter sind der von Kürenberg, Meinloh von Sevelingen und Dietmar von Eist.

Der von Kürenberg
Der von Kürenberg

Der donauländische Minnesang orientierte sich kaum an provenzalischen und altfranzösischen Vorbildern. Diese wurden erst in der zweiten Phase, dem sogenannten rheinischen Minnesang, von ca. 1170 bis 1190 aufgegriffen. Die Dichter stammten überwiegend vom Oberrhein. Sie übernahmen Melodien und Strophenform von den romanischen Autoren. Begegnungsmöglichkeiten von Dichtern aus beiden Sprachräumen gab es zum Beispiel an den Höfen des Hochadels, so bei Kaiser Barbarossas Hoffest in Mainz im Jahr 1148.

Mit der dritten Phase beginnt der klassische Minnesang. Bedeutende Repräsentanten sind Heinrich von Morungen, Reinmar der Alte und Hartmann von Aue. Der individuelle Stil der Dichter wird nun stärker erkennbar. Typisch ist jedoch für alle, dass sie das Thema der Hohen Minne behandelte, ihre Strophen in der Kanzonenform (AAB) gestalteten und direkt auf ihren mhd. Vorbildern aufbauten. Auf die Lyrik aus den romanischen Sprachen nahmen sie nur selten Bezug.

Die vierte Phase (1190 bis 1230) bildet den Höhepunkt des Minnesangs. Sie wurde durch Walther von der Vogelweide, den wichtigsten Lyriker des deutschen Mittelalters, geprägt. Bedeutend für diese Phase war außerdem Wolfram von Eschenbach, der daneben auch Werke der Epik verfasste. Die Dichter standen in Beziehung zum Hof der Stauferkaiser. Sie beherrschten ihre poetischen Mittel souverän. Gleichzeitig überwanden sie den Minnesang, indem sie ihn kritisch reflektierten, neue Minnekonzepte entwarfen (z. B. niedere Minne und herzeliebe bei Walther) und sich vom traditionellen Formschema lösten.

Walther von der Vogelweide
Walther von der Vogelweide

Der wichtigste Vertreter der fünften Phase (ca. 1210-1240) ist Neidhart. Er brachte neuen Themen und Formen in den Minnesang ein und gilt als der originellste Dichter des Minnesangs. Typisch ist die Einteilung seiner Lieder in Sommerlieder und Winterlieder. Das lyrische Ich von Riuwental (von Reuental oder Jammertal) ist als Kunstfigur zu betrachten, das in einer fiktiven lyrischen Welt agiert. Neidharts Lieder enthalten zum Teil grobe Sinnlichkeit und einige Wörter, die bisher nicht entschlüsselt werden konnten.

Die sechste Phase des mhd. Minnesangs dauerte von 1210 bis 1300. Es gibt in dieser längsten Phase keine klaren Entwicklungsstufen, sondern eine Fülle von Autoren und Liedern, die oft nicht sicher zugeordnet werden können. Typisch ist eine große Vielfalt an Themen und Motiven. Die Personen wurden oft realistischer gezeichnet als in den früheren Phasen, realistische Details wurden in die Dichtung mit aufgenommen. Auch historische Personen erscheinen in der Lyrik, wie bestimmte Könige und Kaiser.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts klang der Minnesang aus und der Meistersang gewann an Bedeutung. In dieser Übergangszeit wirkten Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, Hugo von Montfort, der Mönch von Salzburg und Oswald von Wolkenstein. Sie orientierten sich zum Teil noch am Minnesang, können aber nicht mehr als Minnesänger bezeichnet werden.

Literaturhinweise:

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2 Gedanken zu „Der Minnesang im Mittelalter

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